Taryn Simon, Death Row Outdoor Recreational Facility, „The Cage“ Mansfield Correctional, Institution Mansfield, Ohio, 2003/2007 © Taryn Simon, Foto: Axel Schneider
Taryn Simon, Death Row Outdoor Recreational Facility, „The Cage“ Mansfield Correctional, Institution Mansfield, Ohio, 2003/2007 © Taryn Simon, Foto: Axel Schneider

Taryn Simon

An American Index of the Hidden and Unfamiliar

„Ich bin jedem dankbar, der Unmögliches vollbringt und mir ein Bild davon macht. Dann brauche ich es nämlich nicht zu tun und weiß doch, wie es war. Also ist Dankbarkeit das erste Gefühl, das mich beim Anblick vieler dieser außergewöhnlichen Bilder überkommt (unmittelbar gefolgt von einem Stich Eifersucht: der Salut des Schreibtischmenschen an die Frau der Tat).“ Salman Rushdie über Taryn Simon

Unser Bild von Amerika wandelt sich. „An American Index of the Hidden and Unfamiliar“ ist der Titeleiner neuen Werkserie von Taryn Simon (*1975), die im MUSEUMMMK erstmalig in ihrem vollen Umfang ausgestellt wird. Für dieses Projekt hat die in New York lebende Künstlerin, die in ihren Arbeiten häufig eine Brücke zwischen Kunst und Politik schlägt, Orte dokumentiert, die für die Vereinigten Staaten, deren Mythos und das Funktionieren des Alltags wesentlich sind, einem breiten Publikum jedoch verschlossen bleiben. Die mehr als sechzig, über den Zeitraum der letzten vier Jahre hinweg entstandenen großformatigen Fotografien sind nicht selten das Resultat langwieriger Verhandlungen, bis Simon schließlich Zutritt zu dem ansonsten Unzugänglichen gewährt wurde. Sofern die Gegebenheiten es zulassen, fotografiert sie mit einer Großbildkamera und sorgfältiger Lichtsetzung und folgt damit ausdrücklich nicht der Tradition des journalistischen Schnappschusses. Simon untersucht eine Gesellschaft mittels der sorgfältigen Dokumentation verschiedener Sujets aus den Bereichen Wissenschaft, Politik, Medizin, Natur und Religion, die uns durch natürlich, gesellschaftlich oder politisch gegebene Umstände leicht zugänglich sind: Zu ihren Motiven gehören radioaktive Behälter in einem Atommülllager, die Freizeitanlage eines Hochsicherheitsgefängnisses und die Zentrale des Ku-Klux-Klan samt seinen Hexenmeistern, Nighthawks und Kleagles. Mit enormer Überzeugungskraft gelang es ihr, zu einem Seminarraum der Scientologen Zutritt zu erhalten oder MOUT zu besuchen, eine in der Regel unzugängliche Kulissenstadt in Kentucky, die zu Trainingszwecken als urbaner Kriegsschauplatz errichtet wurde. Sie war in den abgeschotteten Hallen des CIA Headquarters, in einer streng geschützten Forschungseinrichtung zur Untersuchung von Tierseuchen und in einem Operationssaal, in dem sich eine Frau der Wiederherstellung ihrer Jungfräulichkeit unterzog. Taryn Simon gibt solchen Orten eine sichtbare und klare Form, die üblicherweise tabuisiert oder den Blicken entzogen sind, und verdeutlicht auf diese Weise die Diskrepanz zwischen dem privilegierten Zugang einiger Weniger und dem beschränkten Zugang der Öffentlichkeit. Die Sichtbarmachung des Verdeckten ist mit dem Anliegen der Wissensvermittlung verbunden. So gehört zu jedem Bild ein Text der Künstlerin, der über das zu Sehende und die Gründe seiner Verborgenheit präzise Auskunft gibt. Es ist Teil von Simons Ästhetikverständnis, die Grenzen dessen auszuweiten, was uns zu sehen und zu wissen erlaubt ist, und sich jenen obskuren Randgebieten zu nähern, in denen physische, intellektuelle, aber auch moralische Gefahren lauern. Auch wenn „An American Index of the Hidden and Unfamiliar“ nachdenklich stimmt und uns mit einigen der Ungeheuerlichkeiten konfrontiert, die eine demokratische Gesellschaft zu gebären im Stande ist, vermitteln die Bilder zugleich die Faszination, die von der Entdeckung unerforschter Territorien ausgeht. Simon fängt den seltsamen Zauber dessen ein, was unter der Oberfläche versteckt bleibt, aber Teil der US-amerikanischen nationalen Identität ist.

Zur Ausstellung erscheint eine umfangreiche Publikation im Steidl Verlag mit Farbabbildungen der gesamten Werkserie und Texten, u.a. von Salman Rushdie.

Ausstellung

29. September 2007 — 20. Januar 2008

MUSEUMMMK

Domstraße 10
60311 Frankfurt am Main


mmk@stadt-frankfurt.de
+49 69 212 30447