Jack Goldstein, Shane, 1975, Filmstill, © Mudam Luxembourg. Bildbeschreibung: Vor einem tiefschwarzen Hintergrund sind der Kopf und Hals eines Deutschen Schäferhundes zu sehen. Sein Maul ist geöffnet, sodass sein unteres Gebiss und seine rosa Zunge sichtbar sind.
Jack Goldstein, Shane, 1975, Filmstill, © Mudam Luxembourg. Bildbeschreibung: Vor einem tiefschwarzen Hintergrund sind der Kopf und Hals eines Deutschen Schäferhundes zu sehen. Sein Maul ist geöffnet, sodass sein unteres Gebiss und seine rosa Zunge sichtbar sind.

Jack Goldstein

„Art should be a trailer for the future“ – Jack Goldstein

Die Ausstellung von Jack Goldstein ist der Beginn einer Reihe von umfassenden Retrospektiven, die das MMK ausgewählten Positionen aus seiner Sammlung widmet. Jack Goldstein (geb. 1945 in Montreal, gest. 2003 in San Bernadino) gehört zu den wichtigsten „Künstler-Künstlern“ der letzten 30 Jahre. Von Künstlern und dem Fachpublikum international geschätzt, ist er einem breiteren Publikum nach wie vor unbekannt.

Nach seiner Ausbildung am Chouinard Art Institute in Los Angeles von 1966 bis 1969 und später am neu gegründeten California Institute of the Arts in Valencia in der berühmten „post-studio art”-Klasse von John Baldessari arbeitete er sowohl in Los Angeles als auch in New York. Durch die Ausstellung „Pictures” des Kritikers und Theoretikers Douglas Crimp 1977 im New Yorker „Artists Space“ wurden die Künstler Troy Brauntuch, Sherrie Levine, Robert Longo, Philip Smith und Jack Goldsein als eine neue Künstlergeneration bekannt, die sich sowohl vom Minimalismus und der Pop-Art absetzte als auch beide Kunstrichtungen kritisch weiterentwickelte. In einem Interview formuliert Goldstein: „Ich interessiere mich für die Lücke zwischen Minimalismus und Pop-Art: für die Objekthaftigkeit und Autonomie im Minimalismus sowie für den Stoff unserer Kultur, der sich in der Pop-Art findet.” Für seine kritische Auseinandersetzung mit den medial vermittelten Bildern der westlichen Kultur nutzte er Techniken und Bilder der Kulturindustrie und der Werbung. In den 1980er Jahren galt Goldstein neben Richard Prince, Sherrie Levine, Robert Longo und David Salle als einer der vielversprechendsten Künstler der so genannten Post-Pop-Art.

Sein außergewöhnliches Œuvre zeichnet sich durch Vielfalt und Eigenständigkeit aus: Es umfasst Skulpturen, Performances, Filme, Schallplatten, Gemälde, graphisch gestaltete Aphorismen und Texte.Während seines Studiums bei Baldessari arbeitete Goldstein zunächst an minimalistischen Skulpturen, wendete aber schon bald seine Aufmerksamkeit der Performance und dem Film zu. Die frühesten Perfomances fanden unter Ausschluss des Publikums statt und sind lediglich durch Beschreibungen und einige wenige Fotografien dokumentiert. Die ersten Filme aus den Jahren 1971-1973 zeigen performative Situationen und stellen eine Weiterentwicklung der ersten Arbeiten dar. Alle Filme Goldsteins sind auf 16 mm-Material gedreht und in ihrer Gestaltung eher an theatralischen Vorbildern orientiert als an der gleichzeitig sich entwickelnden Videoästhetik. Bis 1983 entstanden 34 Filme, die heute zu den bekanntesten Arbeiten von Jack Goldstein zählen. Die mitunter sehr kurzen Filme – der kürzeste dauert etwa 20 Sekunden – arbeiten mit den Mitteln und der Technik der kommerziellen Filmindustrie. Die Themen der Filme reichen von den performativen Inszenierungen über Motive der amerikanischen Filmindustrie bis zu kurzen Sequenzen, die sich allein auf einen Gegenstand oder eine Bewegung konzentrieren.

Die letzten zehn, zu seinen Lebzeiten beendeten Filme, die Goldstein zu einer Sequenz zusammengefasst, stellen den Höhepunkt seiner filmischen Arbeit und zugleich den Ausgangspunkt der neuen Werkserie der Schallplatten dar. Die Schallplatten sind die vielleicht außergewöhnlichsten Arbeiten von Jack Goldstein. Der Künstler verwendete sie sowohl als Tonträger als auch als visuelle Objekte. Die erste Arbeit „A Suite of Nine 7-inch Records” von 1976, die sich in der Sammlung des MMK befindet, ist eine Reihe von farbig gestalteten Schallplatten, für die er Tonmaterial aus kommerziellen Archiven verwendete. Andere Sound-Arbeiten beziehen sich auf gängige Filmgenres wie Katastrophenfilme, Sciencefiction- oder Abenteuerfilme der Hollywood-Filmindustrie. Der umfangreichste aber am wenigsten bekannte Werkteil in Goldsteins Œuvre sind die Gemälde. Die großformatigen Bilder wurden, wie auch die Filme und Schallplatten, zum größten Teil von ausgebildeten Spezialisten nach den Vorgaben Goldsteins angefertigt. Die Motive orientieren sich an Reproduktionen von Kriegsbildern, Gewittern, Naturkatastrophen, astronomischen Aufnahmen usw. Sie alle kreisen um die Idee des Spektakulären, die auch in der Welt der Medien eine zentrale Rolle spielt.

Für die documenta 7 hat Jack Goldstein einen aphoristischen Katalogbeitrag verfasst, der mit der Feststellung „Media is sensational“ beginnt, die besonders für seine Gemälde als Leitmotiv angesehen werden kann. Zugleich unterstreicht er in seinen Reflektionen auch die Ersatzfunktion der Medientechnologie für die eigene Erfahrung. Er schreibt: „Technology does everything for us so that we no longer have to function in terms of experience. We function in terms of esthetics.“ Dem geschlossenen Kosmos einer medial verfassten Welt ist deshalb nur mit den Mitteln der Kunst zu begegnen. In diesem Sinn ist auch seine Parole „Art should be a trailer for the future“ zu verstehen. In seinen letzten Lebensjahren widmete Goldstein sich verstärkt solchen Textarbeiten, die ebenfalls Teil der Ausstellung im MMK sein werden.

Die Ausstellung im MMK ist die erste umfassende Museumsausstellung des Künstlers in Deutschland seit 1985. Goldstein, der mit Filmen und Gemälden auf der documenta 7 (1982) und 8 (1987) vertreten war, hatte größere Einzelausstellungen in Amerika und Europa, zuletzt 2002 im Magasin, Centre National d'Art Contemporain, Grenoble. Zur Ausstellung erscheint ein umfangreicher Katalog mit einem Interview von Chris Dercon und Jack Goldstein von 1986 sowie Texten von Klaus Görner, Chrissie Iles und Shepherd Steiner.

Ausstellung

3. Oktober 2009 — 10. Januar 2010

MUSEUMMMK

Domstraße 10
60311 Frankfurt am Main


mmk@stadt-frankfurt.de
+49 69 212 30447