Installationsansicht Ed Atkins Corpsing 2017, Hisser, 2015, HD video still, Courtesy the artist, Galerie Isabella Bortolozzi, Berlin and Cabinet, London. Bildbeschreibung: In zwei abgedunkelten Räumen befinden sich drei große Projektionsflächen; eine im vorderen Raum, zwei im hinteren Raum. Die hinteren beiden Projektionsflächen werden durch die Wand, die die beiden Räume voneinander trennt, zum großen Teil verdeckt, sodass nur der jeweils linke Rand der Fläche zu sehen ist. Auf allen Projektionsflächen wird das gleiche Bild gezeigt: Eine Nahaufnahme eines Gesichts, das nur das rechte Auge, die Augenbraue und den Nasenansatz eines Mannes zeigt.
Installationsansicht Ed Atkins Corpsing 2017, Hisser, 2015, HD video still, Courtesy the artist, Galerie Isabella Bortolozzi, Berlin and Cabinet, London. Bildbeschreibung: In zwei abgedunkelten Räumen befinden sich drei große Projektionsflächen; eine im vorderen Raum, zwei im hinteren Raum. Die hinteren beiden Projektionsflächen werden durch die Wand, die die beiden Räume voneinander trennt, zum großen Teil verdeckt, sodass nur der jeweils linke Rand der Fläche zu sehen ist. Auf allen Projektionsflächen wird das gleiche Bild gezeigt: Eine Nahaufnahme eines Gesichts, das nur das rechte Auge, die Augenbraue und den Nasenansatz eines Mannes zeigt.

Ed Atkins

Corpsing

Welchen Einfluss üben Technisierung, Automatisierung und Digitalisierung auf unsere individuelle Lebenswirklichkeit aus? Dieser weitreichenden Frage geht Ed Atkins (*1982 in Oxford, GB) in seiner umfangreichen Präsentation im MMK 1 des MMK Museum für Moderne Kunst Frankfurt am Main nach.

Atkins gilt als Pionier und radikalster Vertreter einer jungen Künstlergeneration, welche die fundamentalen Veränderungen der Bild- und Selbstwahrnehmung des Menschen durch die rasante Entwicklung der digitalen Medien kritisch reflektiert. In seinen filmischen, digital generierten Werken erschafft er eine künstliche und hyperreale Bildwelt, die in ihrer Ambivalenz von perfekter Simulation und scheinbar technischer Unzulänglichkeit zutiefst verstörend wirkt. Das Werk von Ed Atkins trifft den wesentlichen und zugleich wunden Punkt der postdigitalen Gegenwart. Wie kein anderer Künstler seiner Generation erfasst er die Problematik unseres durch die digitalen Medien veränderten Selbstbewusstseins, das durch die Illusion von Grenzenlosigkeit einerseits und den Verlust von Authentizität andererseits geprägt ist. In ihrer visuellen und akustischen Intensität ziehen seine digital erzeugten High-Definition Bildwelten den Betrachter in ihren Bann und konfrontieren ihn mit existenziellen Zuständen wie Einsamkeit, Entfremdung und Vergänglichkeit.

Das MMK präsentiert in der Ausstellung zwei filmische Installationen, die sich über mehrere Räume erstrecken. Für diese kreiert Atkins einen virtuellen Protagonisten – eine Art Alter Ego des Künstlers –, dessen Profil er kontinuierlich weiterentwickelt und der in künstlichen Welten tiefgreifende Krisen durchlebt. Jede Stimme, die zu hören ist, sowie sämtliche Texte stammen von Atkins selbst. Ebenso hat er alle seine Bildwelten mit den zur Verfügung stehenden digitalen Mitteln selbst generiert. Die Installation Hisser nimmt direkt Bezug auf die räumliche Struktur der ersten Ebene des MMK 1 und nutzt die Architektur als integralen Bestandteil der Arbeit, über die der virtuelle in den realen Raum übertragen wird. Die Geschichte, die in Hisser erzählt wird, ist inspiriert von einer wahren Begebenheit. In einer sich plötzlich öffnenden Senkgrube wurde 2013 ein junger Mann in Florida in den USA, in seinem Schlafzimmer "vom Erdboden verschluckt". Der Hauptschauplatz im Film ist ein Schlafzimmer bei Nacht. Atkins führt vor, wie die Welt seines Protagonisten in sich kollabiert und in der absoluten Leere des digitalen und entmaterialisierten Raums verschwindet. Dabei dekonstruiert der Künstler die digitale Illusion, indem er seine filmischen Mittel durch simulierte Bildstörungen und Frequenzfehler offenlegt. In der Arbeit Safe Conduct, die auf drei großformatigen LCD-Monitoren bei Tageslicht gezeigt wird, erkennt man denselben Protagonisten, der sich in diesem Film am Fließband einer Sicherheitskontrolle befindet. Schritt für Schritt entledigt sich der junge Mann seiner Reiseutensilien und Bekleidung, bis er schließlich dazu übergeht auch seine Körperteile in die Aufbewahrungsbox zu legen. Wie in Hisser ist das Gesicht des Protagonisten wund und impliziert körperliche und seelische Verletztheit, wodurch die Illusion von Menschsein entsteht.

Der Ausstellungstitel Corpsing thematisiert den Widerspruch, den eine computergenerierte Simulation in sich trägt. Sie vermittelt die Illusion einer eigenständigen materiellen Welt und bleibt doch nur eine Konstruktion, die durch Momente der technischen Störung als Trugbild und bloße Abbildung des Realen decodiert werden kann. Der Begriff "Corpsing" bezieht sich auf eine Redewendung aus dem Bereich des Theaters und auf ein Phänomen, mit dem sich Atkins seit langer Zeit beschäftigt. Eine von einem Schauspieler gespielte Rolle erreicht nie den Status einer authentischen Figur, sie kann diese immer nur "verkörpern". "Corpsing" beschreibt jenen Augenblick, in dem die Differenz zwischen dem Schauspieler und seiner Rolle zutage tritt, wenn dieser beispielweise seinen Text vergisst oder in plötzliches Gelächter ausbricht.

Die Ausstellung wird im Rahmen der Frankfurter Positionen – eine Initiative der BHF-BANK-Stiftung – gezeigt.

Ausstellung

3. Februar — 14. Mai 2017

MUSEUMMMK

Domstraße 10
60311 Frankfurt am Main


mmk@stadt-frankfurt.de
+49 69 212 30447

Exhibition Views

Ed Atkins, Hisser, 2015 © Ed Atkins, Foto: Axel Schneider
Ed Atkins, Hisser, 2015 © Ed Atkins, Foto: Axel Schneider
Ed Atkins, Hisser, 2015 © Ed Atkins, Foto: Axel Schneider
Ed Atkins, Hisser, 2015 © Ed Atkins, Foto: Axel Schneider
Ed Atkins, Safe Conduct, 2016 © Ed Atkins, Foto: Axel Schneider
Ed Atkins, Safe Conduct, 2016 © Ed Atkins, Foto: Axel Schneider